Ein neuer Ansatz zu denken und zu arbeiten – auch SPD tauglich!
Zwei Begriffe geistern in letzter Zeit immer häufiger durch die Zeitschriften aufgeklärter Managementstrategien und verheißen die neue Form des zusammen arbeiten und leben. „design Thinking“ und „working out loud“. Bemerkenswert daran ist, dass beide Denkansätze sehr eng bei dem sozialdemokratischen Grundwerten liegen. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit”, die Grundforderungen der Französischen Revolution, sind die Grundlage der europäischen Demokratie. Seit das Ziel der gleichen Freiheit in der Moderne zum Inbegriff der Gerechtigkeit wurde, waren und sind Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität die Grundwerte des freiheitlichen, demokratischen Sozialismus. Sie bleiben unser Kriterium für die Beurteilung der politischen Wirklichkeit, Maßstab für eine bessere Ordnung der Gesellschaft, Orientierung für das Handeln der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.
Design Thinking hat eigentlich seinen Ursprung in den zwanziger Jahren. Das von dem Architekten Walter Gropius in Weimar gegründete Bauhaus war der erste Ansatz, unterschiedliche Disziplinen wie Architektur, Musik, Theater zusammenzuführen und für neue Lösungsansätze nutzbar zu machen. Es ging um eine erhöhte Lösungskompetenz für komplexe Fragestellungen. Dadurch sollten Möglichkeiten eröffnet und Vielfalt ermöglicht werden. Wen wir heute von Design Thinking sprechen, dann ist damit gemeint, Probleme ganzheitlich und nutzerorientiert zu lösen. Es wird behauptet, dass Design Thinking die kollaborative Kreativität fördert. Dabei werden unkonventionelle Wege beschritten. Im design Thinking heißt es: „Problems can be complicated – solutions not“. Die Lösung entsteht aus der Schnittmenge Nutzerwunsch und Machbarkeit.
Eine der ersten Methoden die auf den direkten Nutzerwünschen aufbaut, ist das schon 1953 von Alex Oshborn entwickelte „brainstorming“. Dabei werfen alle Teilnehmer eines Ideenprozesses ihre Einfälle in den Raum, diese werden dotiert und dann systematisiert. 1986 verknüpfte Edward de Bon diese assoziative Methode mit Elementen der neuolinguistischen Programierung im 6 Hüte Modell. Dabei assoziieren sich Teilnehmer_innen mit vorgegebenen „Rollen“ und tragen somit zur Lösung bei. Das Züricher Ressourcenmodell nach Maja Storch und Frank Krause passt methodisch auch in den Kanon. Bilder aktivieren somatische Marker und erzeugen zu einem Problem mögliche Lösungsansätze, die über den Ressourcenkorb von anderen Teilnehmern bereichert werden.
Desingn Thinking folgt einen sechsstufigen iterativen Prozess. Wichtig ist, dass die Teilnehmer_innnen aus möglichst unterschiedlichen Lebenszusammenhängen (Berufen, Biographien e.t.c.), also kommen. Dabei ist Design Thinking nicht nur ein Prozess, sondern auch eine Denkweise. Es geht um die Aktivierung der kollektiven Intelligenz. Und…es wird nicht nur gedacht, sondern anhand von kleinen Beispielen sofort realisiert.
Im ersten Schritt geht es um das VERSTEHEN. Welches ist unsere Fragestellung? Welche Bedürfnisse haben wir im Hinblick auf die Fragestellung?
Im zweiten Schritt geht um das BEOBACHTEN. Wie sehen die Rahmenbedingungen aus? Was können wir sehen, hören (riechen, schmecken, fühlen)?
Im Dritten Schritt wird die PERSPEKTIVE GEWECHSELT. Die gemachten Beobachtungen werden auf die einzelnen prototypischen Nutzer heruntergebrochen.
In der Vierten Phase geht es an die IDEENFINDUNG. Das ist eine der Kernelemente des Design Thinkings. Im brainstorming werden Ideen visualisiert und diskutiert.
In der fünften Phase werden PROTOTYPEN entwickelt. Kleine Ideen werden ausprobiert, nachgebaut, gespielt.
Die sechste Phase dient der VERFEINERUNG. Die Erfahrungen der Prototypenbildung wird reflektiert, Ansätze weiterentwickelt oder teilweise verworfen, und neu gedacht.
Die Methode Working out loud basiert auf der ebenso einfachen Erkenntnis, dass Wissen besser geteilt wird als es für sich zu behalten. Der IT Berater Bryce Williams, der den Begriff 2010 erstmals vorstellte, sprach davon dass working out loude eine Konbination aus storrytelling und Transparenz sei. „Wer so arbeitet, plaudert entspannt aus dem Nähkästchen – aber so, dass es für andere auch tatsächlich interessant ist.
Die Expertin für Corporate Learning Isabel De Clercq sagt zu dieser neuen Form zu arbeiten und zu lernen: „ Wer Wissen teilen will, muss in der Lage sein, sich selbst zu reflektieren, um seine Erkenntnisse präsentieren zu können, und er muss eine gewisse Verletzlichkeit akzeptieren können, also bereit sein, Fehler zu machen“.
Eigentlich basiert die Methode working out loud auch auf dem sozialdemokratischen Grundverständnis, dass diejenigen die ein mehr an Reichtum haben, ihn mit denen die weniger haben, teilen. Nur dass sich dieses Teilen nicht nur auf materielle Güter bezieht, sondern auf Immaterielles: auf Wissen!
Teilen wird – wenn es zur Routine geworden ist – zum Selbstzweck.
Eigentlich leben wir das Teilen schon, zumindest diejenigen, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind. Dort dient das Teilen aber oft auch (oder vielleicht fast ausschließlich) der Selbstdarstellung. Wir teilen, liken (also bewerten und reflektieren) auf facebook, intergram und twitter. Teilen als Bestandteil der Praxis kann aber eine kollaborative Kultur entwickeln.
Und es gibt diese Kultur des Teilens. Linux ist als freies Betriebssystem der microsoft Welt technisch überlegen; wikipedia funktioniert als wissensbasierte non profit Plattform; in fachlich orientiertten bloggs wird hochqualifizierten Wissen angeboten. Und die Programmentwickler von Crytec verschenkten ihr erstes Programm mit Anleitern an die Architekturfakultät einer technischen Hochschule – umsonst.
Working out loud heißt gemeinsam lernen im „circel“. Dort wird transparent und offen in Netzwerken gearbeitet. Wer so arbeiten will, braucht eine andere Einstellung zur Arbeit, neue Kommunikationsgewohnheiten und ein breites persönliches Netzwerk.
Einem circle gehören 2 – 5 möglichst unterschiedliche Personen an. Je unterschiedlicher desto besser. Die Gruppe trifft sich 12 mal für eine Stunde pro Woche, virtuell oder face to face. Die Mitglieder eines circles tauschen sich über ihre Ziele die sie konkret erreichen wollen aus. (Trainigsplan unter http://workingoutloud.com(circle-guides/)
In den zwölf Wochen wird das Ziel erstellt, die bestehenden Beziehungen bewertet, das eigene Zeitmanagement verbessert …und natürlich gelernt, wie man die eigene Freigiebigkeit ständig verbessern kann.
Design thinking und working out loud nutzbar machen
Die SPD ist in einer schwierigen Verfassung. Sie ist einerseits Volkspartei, will also alle Bevölkerungsschichten erreichen. Das ist nicht gleichbedeutend damit, jeden und jede erreiche zu wollen. Frank Stauss, ein wirklich begnadeter Wahlkampfmanager beschreibt das sinngemäß in seinem Buch „Höllenritt Wahlkampf“ so: gute Kampagnen unterscheiden zwischen gut und böse, rot und schwarz, mehr Statt und weniger Staat, mehr Gerechtigkeit und weniger Gerechtigkeit. Zum Glück gibt es aber Reiche, die auch das Gute, Rote, mehr Staat und mehr Gerechtigkeit wollen – aber auch Arme, bei denen es umgekehrt ist. Es geht also um Werte, nicht um Steuervorteile. Die SPD zielt also auf diejenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – mehr Gerechtigkeit wollen und dass es allen Menschen ein bisschen besser geht.
Die Sturkturen in denen die SPD allerdings ihre Entscheidungen findet oder besser versucht zu finden, sind eher feudaler, wenigstens hirachischer Struktur. Das geflügelte Wort vom „ihr da oben – wir da unten“ macht in fast jeder Ortsvereinssitzung die Runde. Wer mit einer brillianten Idee „nach oben“ kommen will, muss sich durch die Gremien hocharbeiten um dann oben verändert aber wenigstens enttäuscht anzukommen.
Beispiel Anträge: Wer einmal erlebt hat, wie 150 Anträge zum Thema TTIP für einen Bundesparteitag zuerst mit groben und immer feiner werdenden Schleifpapier „gänig“ gemacht werden, der hat eine Vorstellung davon, dass kollaboratives Arbeiten keine Chance in diesen Strukturen hat.
Dazu kommt, dass es eine Wissenshirachie in der SPD gibt. Parlamentarier, Vorstände, Funktionsträger wissen oft wesentlich mehr als das normale Parteivolk. Vielleicht unvermeidbar beim Unterschied zwischen Berufspolitik und ehrenamtlicher politischer Arbeit. Deshalb plädiere ich für eine neue Arbeitsbeziehung die von freiwillig assoziierten Zirkeln geprägt ist, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich gegenseitig unterstützen, die ihr Wissen Teilen, die achtsam und emphatisch miteinander umgehen und die neue Ideen entwickeln.
Dabei können beide Methoden, das design Thinking und working out loud hilfreich sein.
Design Thinking bezieht sich auf die Probleme, die eine Organisation hat. Nehmen wir einen beliebigen Ortsverein in einer ländlichen Region. Sein Problem ist: zu wenige Mitglieder und Aktive, wenig Spaß an der Arbeit, Überforderung, kaum junge Aktive und kaum Frauen.
Es bildet sich eine Gruppe aus diesem Ortsverein, die konsequent die sechs Schritte des iterativen Prozesses durchläuft. Dieser Prozess wird moderiert. Wichtig ist die Entwicklung von Prototypen die auch gleich ausprobiert werden. (Wenn wir auffallen wollen fahren wir mit einem roten Traktor durch die Orte und spielen auf einer Drehorgel Musik. Wenn wir Menschen ansprechen wollen, gehen wir raus in ein cafe und fragen Leute ob sie mitarbeiten wollen).
Es gibt keine Hirachien sondern nur Tätigkeit. Es gibt keine Zuständigkeiten, sondern Verantwortungsbereiche.
Dieser sechs Schritte werden vom Prinzip des worling out loud durchwoben. Working out loud bezieht sich auf die persönlichen Ziele der Mitwirkenden. Was haben meine Bedürfnisse (meine Ziele) mit den Problemen der Organisation zu tun. Warum mache ich hier eigentlich noch mit, wo doch alles so schlimm ist.
Die persönlichen Ziele können vielfältig sein. In der Regel spielt immer das persönliche Teilen, die soziale Gerechtigkeit eine Rolle. Warum dann nicht damit in der Arbeit anfangen. Die persönlichen Bedürfnisse in der Organisation zum Arbeitsprinzip werden lassen. Damit sind wir dann beim „Wissen teilen“, beim Aufbau von Netzwerken, empatischer Bezugnahme und der Freigiebigkeit.