„Politiker müssen im Spannungsfeld Macht versus Ohnmacht, Abhängig versus Unabhängig, Sicher versus Unsicher und Privat versus Öffentlich bestehen. Die Schaffung von Reflexionsinseln im Coaching kann die Akteure unterstützen, diese Kräfte auszubalancieren. Statt Niederlagen zu verdrängen, kann Coaching die Politiker befähigen, diese zu nutzen, um mit ihrer Ohnmacht, ihrer Unsicherheit, ihrer Abhängigkeit umzugehen und sie positiv zu gestalten.“ Zu diesem Ergebnis kommt Katja Wolter vom Steinbeis-Institut für Ressourcen-Entwicklung nach einer Befragung von Bundestagsabgeordneten aus allen Parteien. Die Ergebnisse lassen sich auf Landtage und die Kommunalpolitik übertragen.
Kernbegriff: Spannungsfelder
Parteien stehen in inhaltlichen und strukturellen Spannungsfeldern. Und ihr Hauptakteure, die Politiker*innen allemal. Da sind unterschiedlichen Interessen auszubalancieren. Bund, die Länder und die Kommunen aber auch zunehmen unterschiedliche Interessengruppen dominieren den Alltag von Politiker*innen. Gerade Parteien können da nicht wie Schnellbote mal kurz den Kurs wechseln. Dafür sind sie nicht gemacht. Denn Parteien sind Organisationen, die ein langfristige Kooperationsbeziehungen ihrer Mitglieder angelegt sind.
Politiker*innen shehen im Spannungsfeld zwischen öffentlicher Inszenierung und den Anforderungen in ihren Wahlkreisen oder Stadtteilen, zwischen Fraktionsdisziplin und dem freien Mandat, das sie begleiten. Und dann sind da noch die Journalisten.
Was kann man tun?
Beratung und Teamentwicklung wird in der Politik kaum in Anspruch genommen. Fortbildung von Mitarbeiter*innen meist fachlich orientiert. Eine Ausnahme: Medientraining wir häufig gemacht– Stimmtraining wieder eher selten. Führungstraining und Teamentwicklung haben Seltenheitswert.
Leider hat Coaching in der Politik das Image der „Deffizitorientierung“. Was für CEO´s normal ist, bewerten Politiker als Eingeständnis eigener Unzulänglichkeiten. Aber Führung – auch Selbstführung – ist eine Kompetenz. Du Kompetenzen kann man erlernen.
2In der berufspolitischen Beratung geht es um grundlegende Verhaltensaspekte und um das Zusammenspiel von Rolle, Aufgabe und Person. Der Berater kann sozialer Spiegel, geheimer Vertrauter, Sparringspartner, „Grenzgänger zwischen den Welten“, kommunikativer Berater sowie Katalysator für kreative Spannung sein.“ (Sollmann 2007, S. 57)
Zentrale personenbezogene Fragestellungen können sein: Wo sind meine Stärken, für welche Themen stehe ich? Was sind meine Widerstände? Was sind meine Erfolgsmuster? Wo liegen meine Entwicklungspotenziale für meine Positionierung? Woran merke ich, dass ich erfolgreich bin/wirke? Was will/muss ich ändern und was verstärken? Coaching könnte die Politiker*innen unterstützen, ihre immer wieder neu entstehenden Qualifikationslücken zu schließen.
Coaching für Neue und alte Hasen
Gerade neue Abgeordnete werden, vorsichtig formuliert, ins kalte Wasser geworfen, das auch schon mal ein Haifischbecken sein kann. Welcher Gruppe soll ich mich zugehörig fühlen? Das ist wie „Leben in Stämmen“, sagte mal ein alter Abgeordneter. Nirgendwo sind die Hierarchien so ausgeprägt, wie in Fraktionen und damit sollte man umgehen lernen. Das kann Coaching leisten.
Aber auch den alten Hasen nutzt es. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion geht verloren, gerade dann, wenn das Ende der aktiven, politischen Laufbahn kommt. Selbstbestimmt gehen, das kann man für sich erarbeiten.
Methoden der Beratung und des Coachings
Im Spanungsfeld zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit kann mit systemischen Aufstellungen 360 Grad feedback oder Interessenspanoramen gearbeitet werden.
Im Spannungsfeld zwischen öffentlicher und privater Person kann die aktivierung eigener Ressourcen oder die Unterstützung von Resillienzmaßnahmen helfen.
Im Spannungsfeld zwischen Innovation und Bewahren sind alle Ideen aktivierenden Methoden (Walt-Disney, world cafe, IKIGAI etc.) möglich.
Im Spannungsfeld zwischen Unsicherheit und Sicherheit ist Historienarbeit (time line history oder time line future) denkbar.
Fazit oder was tun?
Studien belegen wie Wirksamkeit von Coaching. Direkte Effekte sind eine erhöhte Selbstreflexion und Rollenklarheit. Und auch das Umfeld merkt es. Verbesserte Zusammenarbeit in Teams, Berücksichtigung von mehreren Perspektiven und eine gute Einschätzung der Mitarbeiter*innen sind nur einige Effekte.
Davon können Politiker*innen profitieren, denn wir alle sollten ein Interesse an einer funktionierenden, starken repräsentativen Demokratie haben.